Ich stelle immer wieder fest, dass gewisse Schützen die Gefahr einer Hörschädigung durch Schiesslärm in gefährlicher Weise bagatellisieren.
Als Arbeitsmediziner, der früher in einem grossen Betrieb auch für den Lärmschutz zuständig war, möchte ich hier einige Punkte aus medizinscher Sicht klarstellen.
Der Grad der Auswirkung von Lärm auf das Gehör hängt von der Schallintensität, der Expositionsdauer, der Schallfrequenz und dem zeitlichen Verlauf ab. Impulslärm wie beim Schiessen ist wesentlich gefährlicher als die gleiche physikalische Schallenergie eines weniger intensiven, dafür längerdauernden, konstanten Geräusches. Bei Dauerlärm verfügt das Gehör noch über gewisse limitierte Selbstschutzmechanismen, bei einem Knall oder einer Explosion ist es der kurzfristigen, enormen Intensität schutzlos ausgeliefert. Trotzdem wird in der Prophylaxe Impulslärm bis 145 dB(A) wie Dauerlärm bewertet, erst darüber werden spezielle Rechenmodelle verwendet. Dies dürfte wohl zu einer gewissen Unterschätzung der Gefährdung führen.
Es ist ein gefährlicher Irrglaube zu meinen, man könne die Schutzwirkung eines Gehörschutzmittels aufgrund der subjektiven Lärmempfindung beurteilen. Da der Mensch die Schallintensität annähernd logarithmisch empfindet, wird ebendiese und damit ihre schädigende Einwirkung massiv unterschätzt. Die folgende Grafik veranschaulicht dies sehr schön:
Oben auf der Skala ist die Schallintensität in dB(A) angegeben, darunter die entsprechend maximal zulässige Expositionszeit pro Woche in Stunden resp. Minuten.
Gemäss Richtlinien der SUVA gilt bei Dauerlärm für eine 40-stündige Exposition pro Woche ein äquivalenter Dauerschallpegel ab 85 dB(A) als potentiell gehörschädigend. Eine kürzere Aufenthaltsdauer im Lärm lässt entsprechend höhere Pegel zu.
Eine Schallpegelerhöhung um 3 Dezibel, zum Beispiel von 93 auf 96 Dezibel, entspricht einer Verdoppelung der Schallintensität. Die zulässige Expositionszeit vermindert sich auf die Hälfte, hier konkret von 10 auf 5 Stunden. Ein weiteres Beispiel: Das Schallmessgerät zeigt einmal 93 Dezibel, dann 103 Dezibel an. 10 Dezibel Unterschied bedeuten eine Verzehnfachung der Schallintensität. Die zulässige Expositionszeit verringert sich somit auf 1/10, hier von 10 auf 1 Stunde. Die menschliche Lautheitsempfindung aber hat sich bei 10 Dezibel Unterschied bloss verdoppelt!
Die theoretisch maximal mögliche Dämpfung mittels Gehörschutzmitteln beträgt 40-50 dB, mehr ist nur bei Verwendung eines Schallschutz-Anzuges möglich, da der Lärm auch über den Körper, insbesondere den Schädelknochen, fortgeleitet wird. Die im Handel angebotenen Gehörsschutzpfropfen und Gehörschutzkapseln haben bei korrekter Anwendung theoretisch eine maximale Dämmwirkung von je ca. 37 dB(A).
Ohrpfropfen aus Schaumstoff können schwierig in der Anwendung sein, lassen sich besonders bei stark abgewinkelten Gehörgängen oft nicht genügend weit einführen, dämmen dann wesentlich schlechter und können leicht herausfallen. Lamellen-Gehörstöpsel lassen sich aufgrund ihrer Festigkeit besser einführen, dämmen aber etwas schlechter und können bei empfindlichen Gehörgängen schmerzhaft sein. Diese Probleme lassen sich am besten mit einer massgefertigten Otoplastik lösen, die nicht alle Welt kostet (z.B. bei iffland.hören in Weil am Rhein für EUR 78.00 erhältlich). Dabei muss aber betont werden, dass die billigen Schaumstoffstöpsel sogar eher besser dämmen, wenn sie wirklich korrekt tief eingeführt werden.
Bei Gehörschutzkapseln hängt die Schutzfunktion u.a. von der Qualität/Alterung der Polster ab und kann bei Brillenträgern zusätzlich beeinträchtigt sein. Es wird deshalb empfohlen, eine Sicherheitsmarge von 5 dB vom angegebenen Dämmwert abzuziehen. Grundsätzlich empfiehlt die SUVA bei Lärmpegeln oberhalb von ca. 110 dB(A) die Verwendung von Gehörschutzkapseln. Für das Schiesswesen in der Schweiz massgeblich ist Art. 15 der Schiessverordnung des VBS der besagt, dass während der Schiessübungen Gehörschutzschalen getragen werden müssen.
Bei einer Kurzwaffe Kaliber 9mm Para beträgt der Mündungsknall in 1m Abstand ca. 141 dB(A). Mit Gehörschutzkapseln mit z.B. 25 dB Dämmung wird die Schallintensität auf 116 dB reduziert. Gemäss obiger Grafik würde bei einer Dauerbelastung damit die unbedenkliche Expositionszeit unter 4 Minuten pro Woche betragen. Jetzt hängt die effektive Belastung natürlich davon ab, wie hoch die Lautstärke im Einzelfall wirklich ist und wieviel im Stand tatsächlich geschossen wird. Schiesst Ihr Präzision oder Schnellfeuer, werden rechts und links von Euch noch Magnumpatronen verschossen? Seid ihr in einem offenen Stand oder in einem Keller usw.. Die effektiv relevante Belastung dürfte sicher geringer sein, kann aber letztlich nur mittels einer Lärmmessung zuverlässig ermittelt werden.
Ich persönlich gehe hier keine unnötigen Risiken ein und verwende deshalb immer Otoplastiken plus Kapseln. Im obigen Beispiel erreichen wir mit einer zusätzlichen Dämmung von z.B. 25 dB eine Verdoppelung des Dämmwertes, was einer weiteren Reduktion um 3 dB auf 28 dB entspricht (und aufgrund der logarithmischen Funktion nicht um weitere 25 dB auf 50 dB).
Problematischer wird es bei den Schweizer Sturmgewehren, insbesondere beim Stgw 57, hier werden in der Literatur Werte von bis 145 - 168 dB (Kurzspitzenwert) angegeben. Da kann bereits ein einziger Schuss ohne Gehörschutz zu einer bleibenden Gehörschädigung führen.
Lärmschäden des Gehörs sind ein zunehmendes Problem in unserer Gesellschaft und betreffen immer häufiger auch schon Jugendliche und junge Erwachsene (wobei sie hier wohl eher selten durch Schiesslärm verursacht sind). Es kommt dabei zu einem irreparablen Absterben von Haarzellen im Innenohr. Der Beginn ist schleichend und betrifft anfänglich nur den Hochtonbereich. Dadurch wird das Sprachverständnis lange nicht beeinträchtigt und der Schaden subjektiv nicht wahrgenommen, er ist aber im Audiogramm bereits klar ersichtlich. Subjektive Einschränkungen werden oft erst nach 10-20 Jahren oder später bemerkt, häufig begleitet von einem sehr unangenehmen Tinnitus. Zusammen mit einem ab dem Alter von 50-60 Jahren beginnenden natürlichen Nachlassen des Gehörs bleibt dann nur noch eine Hörgeräteversorgung als einzige mögliche Massnahme. Ich rate deshalb allen, zum Gehör Sorge zu tragen und es bestmöglich zu schützen.
Gefährdung durch Schiesslärm
- shooter
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